
Es ist nun schon einige Monde her, dass ich mit einer Kollegin in eine hitzige Diskussion rund um das Thema „verpflichtende Maßnahmen im BGM – ja oder nein“ geführt habe. Konkret ging es um ein Workshop-Angebot für Führungskräfte. Wenn ich mich recht erinnere, zum Thema Psychische Erkrankungen bei Mitarbeitenden – wie erkennen, wie ansprechen, was ist die Aufgabe der Führungskraft und wo liegen die Grenzen.
Klingt spannend und in jedem Fall sinnvoll, oder? Und doch argumentierte ich in diesem Gespräch stark gegen die Entscheidung für eine Teilnahmepflicht.
Nach dem Austausch habe ich überlegt, ob ich generell kein Fan von verpflichtenden Maßnahmen im BGM bin bzw. wie ich dazu stehe. Als Psychologin kann da ja gefühlt nur eine Antwort bei rumkommen, natürlich: Es kommt drauf an.
Verpflichtende Maßnahmen im BGM?
Es kommt drauf an.
„Wie scharf ist eure Klinge?“, diese metaphorische Frage stellte mir ein Kollege vor einigen Jahren. Er wollte damals wissen wie viel Handhabe, wie viel „Druck“ (im besten Sinne) wir im BGM ausüben könnten, um Maßnahmen mit Blick auf eine gesunde Unternehmenskultur in einer Organisation umsetzen zu können.
Mit einem Augenzwinkern sagte ich: „Wir haben keine Klinge. Wir haben kein Schwert, wir haben eine Poolnudel.“
Das ist natürlich ein wenig überzogen formuliert, soll aber auf folgendes hinaus: Bei allem, was im betrieblichen Gesundheitsmanagement nicht gesetzlich festgeschrieben ist, braucht es im Allgemeinen die Unterstützung von Stakeholdern (wie der Geschäftsführung, Interessenvertretungen). Oder zumindest eine Situation, in der die angedachte Vorhaben und Projekte nicht torpedieren. Denn alles, was nicht im Gesetzestext steht (und auch der ist ja zuweilen großzügig formuliert und nicht auf „Goldstandard“ ausgelegt) ist am Ende ein „nice to have“.
Vom »nice to have« zum »must do«
Selbstverständlich sollte es das Ziel sein, dass für Unternehmen mehr und mehr auch die „nive to have“-Aspekte des betrieblichen Gesundheitsmanagements zum „must do“ werden. Ich glaube aber, dass sich das nicht in erster Linie durch eine aufgedrückte Verpflichtung ergibt.
Was für verpflichtende Maßnahmen im BGM spricht
Meine Kollegin argumentierte, dass man Menschen manchmal zu ihrem Glück schubsen müsse. Sie führte den nachvollziehbaren Punkt ins Rennen, dass es durchaus Menschen gibt, die am Ende einer (Pflicht-) Veranstaltung sowas sagen wie: „Ich hätte mich selbst nicht angemeldet, aber bin nun rückblickend sehr froh, dass ich da war.“
Und dass eine Pflicht ja auch für den Stellenwert einer Sache sprechen würde. Nach dem Motto: „Das ist uns als Unternehmen so wichtig, wir möchten, dass das alle (aus der Zielgruppe) mitmachen.“
Was gegen verpflichtende Maßnahmen im BGM spricht
Wenn etwas verpflichtend ist, so ist nicht selten die Reaktion aus der Belegschaft aber auch: „Das müssen wir jetzt auch noch machen.“ Und ich höre schon den Flurfunk rauen: „Das ist bestimmt so schlecht, dass sie es verpflichtend machen müssen.“
Die Frage ist auch, nach welchen Kriterien wird etwas verpflichtet? Ich bin der Meinung, dass das Bild der „Gießkanne“ im BGM zu Unrecht negativ besetzt ist. Gleichzeitig bin ich nicht überzeugt von einer Gießkanne bei der jede Person aus der Zielgruppe zwingend einen Tropfen abgekommen muss.
Bevor die Frage nach der Verpflichtung diskutiert wird, würde ich also zunächst darüber brainstormen: Wie können wir die Maßnahme für die Zielgruppe so attraktiv gestalten, dass sie sich von sich aus dafür entscheidet? Könnte eine Pilot-Gruppe das Angebot testen und das (erwartete) Wirksamkeitsfeedback nicht zu einer „Selbst-Verpflichtung“ der anderen führen?
Ein Blick in den Alltag – wo kommen wir gerne einer „Verpflichtung“ nach oder machen Dinge aus freien Stücken?
Wenn man nicht in entweder oder sondern in sowohl als auch denkt. Wie können wir es schaffen, dass unsere Zielgruppe teilnimmt, ohne das Gefühlt einer nervigen Verpflichtung zu transportieren. Mal ans eigene Leben gedacht, sind wir alle schon so einigen Verpflichtungen nachgekommen. Was lässt sich daraus ableiten? Möglicherweise, dass wir eher bereit sind, etwas mit oder ohne Verpflichtung zu tun, wenn:
- wir am Ende etwas haben, was andere nicht haben. Ein Zertifikat zum Beispiel. Ehrlich Leute, meine Erfahrung ist: Menschen lieben Zertifikate!
- es eine erlebbare Wirkung hat, sich z.B. unser Wissen, unsere Fähigkeiten, unser Methodenkoffer, unsere Kennzahlen, usw. verbessern .
- die Sache ein Problem von uns löst.
- wir es in unserer Entwicklung (egal ob persönlich oder in der Organisation) als normativ erwünscht erleben.
- es Spaß macht.
Wie können wir entscheiden, ob eine BGM-Maßnahme verpflichtend für die jeweilige Zielgruppe sein sollte oder nicht?
Hier finden sich 8 Leitfragen, die bei der Entscheidung helfen können:
Leifragen, ob verpflichtende Maßnahmen im BGM der passende Weg sein können:
Sieht die Gesetzgeberin vor, dass diese Maßnahme verpflichtend für alle (aus der Zielgruppe) ist?
Könnt ihr es leisten, das zu stemmen – allen eine Teilnahme zu ermöglichen (inkl. Controlling, Nachholtermine usw.)?